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Spiritualität — Die Weisheit des Universums leben (1/2)

«Keep your head in the clouds and your feet on the ground.»

— Sprichwort

Der Begriff Spiritualität ist in aller Munde — ob nun im positiven, neutral-wertfreien oder negativen Sinne. Dabei ist zu beobachten, dass der Austausch über das Thema meist im Handumdrehen zu einer hitzigen Debatte eskaliert. Wer das Wort Spiritualität im Beisein anderer Menschen in den Mund nimmt, der kann sicher sein, dass das Gespräch — in welcher Hinsicht auch immer — an Fahrt aufnimmt. Der Begriff scheint emotional recht aufgeladen zu sein, doch weshalb? Nun, das mag daran liegen, dass es kaum ein anderes Wort gibt, welches so viele unterschiedliche Verständnisse und Interpretationen besitzt. Und daran, dass es eben keine allgemein anerkannte oder gültige Definition hat. Zudem scheinen die Menschen bewusst oder unbewusst zu realisieren, dass dieses Thema meist etwas für sie sehr Bedeutendes und Prägendes mit sich bringt. Da niemand etwas mit Spiritualität anfangen kann, wenn es keinen greifbaren Zugang dazu gibt, soll im Folgenden ein Versuch unternommen werden, ein Bild von Spiritualität als Lebensstil, als grundsätzlichen Leitfaden für das Leben zu zeichnen. Die „Richtigkeit“ dieses Bildes leitet sich daher nicht aus der (nicht vorhandenen) Definition des Wortes ab, sondern vielmehr aus seinem inhaltlich widerspruchsfreien und praktikablen Charakter und den beobachtbaren und allgemein wünschenswerten Konsequenzen der Umsetzung eines derartigen Lebensstils. Ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht dabei nicht, da sich ganze Bücher mit diesbezüglichen Ausführungen füllen ließen; es soll jedoch ein guter Überblick geboten werden, welcher einige der wichtigsten Aspekte umfasst. Dies ist der erste von zwei Teilen zu dem Thema.


Teil einer Trinität

Der Begriff Spiritualität leitet sich von den lateinischen Wörtern spiritus bzw. spirare ab, die soviel wie Geist oder Hauch und atmen bedeuten. Hier offenbart sich bei genauerer Betrachtung also schon etwas zutiefst Menschliches und Lebensnotwendiges und keineswegs etwas rein Transzendentales. Es geht im etymologischen Sinne des Wortes um die Atmung, also die Kraft, die das materielle Leben möglich macht. Dass es dabei gar nicht mal um die Suche nach oder Hinwendung zu einer „sinnlich nicht fassbaren und rational nicht erklärbaren transzendentalen Wirklichkeit“ geht, wie Wikipedia zu erläutern versucht, sondern um etwas sehr Realitätsnahes, wird hoffentlich im Rahmen dieses Textes nachvollziehbar werden. Denn Spiritualität ist Teil der Trinität von Körper, Geist und Seele. Sie steht für den seelisch-emotionalen Anteil der menschlichen Dreifaltigkeit, die man auch als aus der physischen, der psychischen und der spirituellen Ebene bestehend bezeichnen könnte. Dem körperlichen Anteil sind dabei die Taten zuzuordnen, während der geistige Anteil die Gedanken beherbergt und dem seelischen Anteil die Emotionen innewohnen. Den Emotionen der spirituellen Ebene kommt dabei ein essenzielle Rolle im menschlichen Leben zu: Sie dienen als Kompass und Leitstern für unsere Taten und die gedankliche Bewertung von Dingen. Daher wird nachfolgend die Spiritualität als uns Menschen zur Orientierung dienende Kraft definiert. In diesem konkreten Sinne ist die spirituelle Dimension des menschlichen Lebens die feinstoffliche, nicht greifbare Dimension, aber eben nicht, weil sie ein albernes Hirngespinst ist, sondern weil sie, im Gegensatz zu Handlungen, die ihre Manifestation darstellen, und Gedanken, die als ihr Übermittler dienen, nicht direkt als Kraft in der materiell-grobstofflichen Dimension erfassbar ist — nur ihre Konsequenzen sind es.

Wenn man daher sagt „Ich bin spirituell“, dann ist damit gemeint, dass man all das, was die Spiritualität als realitätsnahen und wünschenswerten Leitfaden begründet, durch seinen Lebensstil manifestiert und somit in die Realität umsetzt. Damit können wir auch schon zum ersten Aspekt dessen überleiten, was gelebte Spiritualität ausmacht: nämlich, dass man selber nicht in einem Dualismus lebt, also dass eine innere Diskrepanz zwischen den eigenen Emotionen, Gedanken und Taten besteht, sondern dass sich diese Dreifaltigkeit im Einklang befindet. Im Englischen lässt es sich in einem schönen, prägnanten Satz ausdrücken: „As you think, so you feel, so you act.“ Wahre Spiritualität lässt keinen Platz für Doppelmoral oder -standards. Das, von dem man denkt oder fühlt, dass es richtig ist, nicht in die Tat umzusetzen, macht auf Dauer krank — genauso wie negative Glaubenssätze mit sich herumzutragen, obwohl die Tatsachen keinen Anlass dazu hergeben. An dieser Stelle dürfte wohl jeder Mensch mindestens einen Aspekt erkennen, in welchem er in einem inneren Dualismus lebt. Zugegebenermaßen stellt dies zugleich eine der größten Herausforderungen für uns Menschen dar, jegliche Diskrepanzen zu beseitigen. Es ist quasi unmöglich, hierin Perfektion zu erreichen, doch es gilt, unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen stetig mehr in Einklang zu bringen.


Die Relevanz des Weltlichen

Ein weiterer, besonders wichtiger Teil von gelebter Spiritualität ist diese Feststellung: Es geht um das Hier und Jetzt, nicht um eine andere Zeit, einen anderen Ort oder eine andere Dimension. Die materiell-grobstoffliche Sphäre, welche wir alltäglich mit unseren Sinnesorganen erfassen und die unser Bild von der Realität nahezu unumstößlich prägen, ist keinesfalls zu vernachlässigen oder zu degradieren, wenn man einen spirituell gesunden Lebensstil pflegen möchte. „Keep your head in the clouds and your feet on the ground." Strebe zwar nach der Weisheit des Universums, aber bleib geerdet und nimm das Materielle ernst. Es hat einen Grund, weshalb wir Menschen uns in dieser Sphäre wiederfinden — sei es nun, weil wir diese Lernerfahrungen auf diese Weise machen sollen, oder was auch immer man für einen Erklärungsansatz haben mag. Wir sollten in jedem Fall alles dafür tun, unser irdisches Leben wertzuschätzen und es mit all seinen Möglichkeiten aber auch Grenzen für persönliches Wachstum zu nutzen, sowie unseren irdischen Einfluss positiv zu gestalten. 


Wahrheit ist objektiv und erfahrbar

Spirituell zu sein bedeutet zu wissen, dass es eine objektive Wahrheit gibt, und dass diese unabhängig von unserer menschlichen Wahrnehmung existiert. Wahrheit ist schlicht das, was ist. So etwas wie „meine Wahrheit“ und „deine Wahrheit“ gibt es nicht. Es gibt nur die Wahrheit und daneben verschiedene Wahrnehmungen, also die menschlichen Auffassungen und Interpretationen dessen, was (wahr) ist. Wahrnehmung ist das, was jemand für wahr annimmt. Diese Wahrnehmung kann zwar, muss aber nicht zwangsläufig der tatsächlichen, objektiven Wahrheit entsprechen. Zu dieser essenziell wichtigen Einsicht gehört auch zu realisieren, dass wir in der Lage sind, diese objektive Wahrheit in Erfahrung zu bringen und in unseren Wissensschatz aufzunehmen. Naturgesetze sind ideale Beispiele zur Verdeutlichung dieser Tatsache: Dass die Schwerkraft wirkt, wenn man einen Stein aus dem Fenster fallen lässt — und zwar unter den ausnahmslos gleichen Gesetzmäßigkeiten —, wird nicht von menschlichen Annahmen, Gefühlen, Meinungen, Vorlieben oder Abneigung geschweige denn Wünschen beeinflusst. Alle Menschen dieser Erde können der Ansicht sein, dass der Stein zum Himmel schweben wird, und diese Sichtweise unablässig wiederholen, doch dies wird das Naturgesetz der Schwerkraft niemals beeinflussen. Daraus leitet sich ebenso die Erkenntnis ab, dass Wahrheit keine Übereinkunft ist und dass es demnach ein objektives Urteil über Richtig und Falsch gibt. Wahrheit existiert unabhängig von Menschen, ist in ihrer Natur also objektiv. Aussagen darüber, ob die Farbe Rot oder Blau schöner oder gar ob eine bestimmte Äußerung beleidigend ist, sind keine Wahrheiten, sondern Meinungen, da sie von menschlichen Empfindungen abhängen. 

Spirituell zu sein heißt also nicht, dass man verkündet, es gäbe kein Richtig und Falsch, jeder habe seine „eigene Wahrheit“ und alles sei „gut so, wie es ist“. Damit soll nicht ausgesagt werden, dass man nicht auch aus negativen Erlebnissen etwas lernen könne — natürlich ist das möglich. Jemand, der seine Wertgegenstände unbeaufsichtigt am Strand liegen lässt, um kurz zum Schwimmen ins Wasser zu gehen, und dabei beklaut wird, mag zwar eine Lehre daraus ziehen können. Doch der Diebstahl ist und bleibt falsch, auch wenn der Dieb der Meinung ist, seine Tat sei vertretbar oder das Opfer würde daraus etwas lernen. Das Thema Wahrheit ist ein derart weitreichendes und wichtiges, dass diesem ein separater Blogbeitrag gebührt.

Eng verbunden mit dem Thema von Wahrheit und Irrtum ist auch das Bewusstsein darüber, dass es Dinge gibt, die man selbst oder sogar die Menschheit als Ganzes noch nicht weiß und dass es demnach noch eine Menge zu lernen gibt, bzw. dass sehr wahrscheinlich Irrtümer präsent sind. Ein spiritueller Mensch weiß um die realistische Möglichkeit, dass er oder andere in einer oder gar vielen Ansichten irren. Der Ausspruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ des griechischen Philosophen Sokrates deutet diesen Aspekt an. Es ist damit nicht gemeint, dass alle Menschen gänzlich unwissend sind, sondern vielmehr drücken die Worte eine gesunde Demut gegenüber der Tatsache aus, dass es noch sehr vieles zu entdecken und Irrtümer zu korrigieren gibt, weil Perfektion ein für Menschen unerreichbares Ideal ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Spiritualität als eine dem Menschen zur Orientierung dienende Kraft definiert werden kann, die einen praktikablen Lebensstil mit für alle wünschenswerten Konsequenzen begründet. Spiritualität ist Teil der Trinität von Körper, Geist und Seele, weshalb ein ganzheitlich gesunder Mensch gleichzeitig ein spiritueller Mensch ist. Ein spiritueller Mensch hält die Balance zwischen der feinstofflich-idealistischen und der materiell-irdischen Welt, da er um die Relevanz beider Sphären weiß und in ihrer Vereinigung den Schlüssel zu ganzheitlichem Wachstum sieht. Er erkennt zudem, dass es eine objektive und erfahrbare Wahrheit gibt und kann diese von der menschlichen Interpretation der Realität — Wahrnehmung genannt — unterscheiden, woraus sich wiederum eine moralische Urteilskraft ableitet, die essenziell für ein gesundes gesellschaftliches Zusammenleben ist. Weiter geht es im zweiten Teil der Blogserie.

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