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Die Rauhnächte — Innenschau zwischen den Jahren

Die Rauhnächte, auch als Rauchnächte, Zwölf Nächte oder die zwölf heiligen Weihnachtsnächte bezeichnet, sind die Nächte zwischen dem 25. Dezember und dem 06. Januar. Je nach Auslegung wird noch die Nacht des 21. Dezember dazugezählt, da dieser Tag als Wintersonnenwende die längste Nacht des Jahres beinhaltet. Diese Tage und Nächte werden in Mitteleuropa seit vielen Jahrhunderten rituell zelebriert, um den Übergang vom auslaufenden in das neue Jahr zu bestreiten. Vermutlich leitet sich der Name Rau(c)hnächte aus dem Brauchtum ab, die Wohnräume während dieser Tage auszuräuchern, aber auch andere Wortherkünfte werden diskutiert. In jedem Falle jedoch dienen diese zwölf Tage und Nächte der Ruhe und Innenschau, dem Loslassen und dem Vorausschauen. Auch dem In-Kontakt-Treten mit der geistigen Sphäre wird eine große Bedeutung zuteil. In diesem Rahmen gilt es, persönliche Wünsche für das kommende Jahr zu manifestieren. In der Zeit zwischen den Jahren waren die Menschen traditionell eher eingekehrt, da es sich um die kalte und dunkle Jahreszeit handelt, die sozusagen die Antithese zum hellen, fröhlichen und warmen Sommer darstellt, der zu Aktivität und Extrovertiertheit animiert. Daher wird sich während der Rauhnächte der Reflexion über das Vergangene und das Kommende gewidmet, also eine Art Jahresend-Resümee gezogen und neue Vorhaben für die bevorstehenden zwölf Monate diskutiert. Auch Geschichten werden sich erzählt und die Natur, Tiere und Geistwesen rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit. Aberglaube und Ehrfurcht gehen Hand in Hand mit den Rauhnächten: So sagt man beispielsweise, dass die Tiere in dieser Zeit für die Menschen hörbar miteinander kommunizieren. Doch Obacht, denn wer dem Geflüster heimlich lauscht, den wird ein böses Schicksal ereilen, so der Mythos…

Altertümliche Do's & Don'ts

Generell gibt es sehr strikte Verhaltensregeln in den zwölf heiligen Nächten, da dieser Zeitraum laut den Sagen und Mythen ein energetisch besonders intensiver ist, in dem sich viele Zeichen aus der Geisteswelt manifestieren, um den Menschen Botschaften mit auf den Weg zu geben. Wer sie richtig zu lesen weiß, so sagt man, könne Vieles in Erfahrung bringen, was sich im kommenden Jahr ereignen wird — seien es Erfolge und Niederlagen, Verluste, Todesfälle, Veränderungen auf Beziehungsebene und vieles mehr. Beispielsweise soll während der Rauhnächte keine Wäsche aufgehängt werden. Denn der germanische Gott Wotan fegt in dieser Zeit als stürmisches Wetter über das Land, gemeinsam mit seinem Heer der verlorenen Seelen. Verfangen sich Wotan und die Geister seiner „wilden Jagd“ in der Wäsche, so bringt dies demjenigen, der sie aufgehängt hat, fürchterliches Unheil ein. Ebenso wird der Spruch „Scherben bringen Glück“ während der Rauhnächte in sein Gegenteil verkehrt und deutet dann vielmehr auf Unheil hin, bspw. auf eine im neuen Jahr in die Brüche gehende Beziehung. Auch das Brauchtum des Bleigießens soll auf die zwölf Nächte zurückzuführen sein, das als eine Art Orakel für das bevorstehende Jahr dienen soll. Grundsätzlich gilt es, während der Rauhnächte die Arbeit niederzulegen, um nicht den Kräften der Natur und der geistigen Sphäre in die Quere zu kommen und um Kraft für den neuen Jahreszyklus zu sammeln. Viele Deutungen beziehen sich zudem auf das Wetter, da dieses seit jeher von sehr hoher Wichtigkeit für die Menschen war und ist. Die zwölf Tage und Nächte repräsentieren in dem Sinne die zwölf Monate des kommenden Jahres, aus denen sich das Wetter ableiten lässt. Die Wetterereignisse eines Tages der Rauhnächte spiegeln also in chronologischer Reihenfolge das Wetter des jeweiligen Monats des neuen Jahres wider. Auch die mythologische Figur der Frau Holle, auch Perchta genannt, hat einen festen Platz in den Sagen der Rauhnächte. Sie zieht umher und bestraft Faulheit bzw. belohnt Fleiß.

„Zwischen den Jahren“

Besonders interessant ist die wahrscheinliche Herkunft des Rauhnächte-Brauchtums, denn dieser geht vermutlich zurück auf die Zeitrechnung des Mondkalenders. Der Mondkalender orientiert sich ausschließlich an den Mondphasen. Da ein solcher Zyklus ein wenig kürzer ist als ein Monat unseres heutigen Sonne-Mond-Kalenders und dieser Kalenderrechnung nach kein Schalt-(Mond-)Monat eingefügt wird, um mit dem Sonnenjahr Schritt zu halten, „fehlen“ am Jahresende, bzw. bis wieder ein neuer Mondkalenderzyklus beginnt, einige Tage. Der Mondkalender umfasst daher nur 354 Tage, dann folgen elf „tote Tage“ (bzw. zwölf Nächte) zum Jahresende, und dann beginnt der Mondkalender wieder von neuem. Diese besagten elf Tage bzw. zwölf Nächte befanden sich demnach quasi „außerhalb der Zeitrechnung“, was im mythologischen Sinne als Außerkraftsetzen der Naturgesetze interpretiert wurde. Daher wurde diesem Zeitraum zugesprochen, dass er von einem besonders durchlässigen Schleicher zwischen den verschiedenen Welten, also der grob- und der feinstofflichen Welt, charakterisiert ist — eine wahrhaft mystische Zeit. In der Folge entstanden wohl die zahlreichen Sagen und Mythen rund um außergewöhnliche Ereignisse, personifizierte Naturkräfte, das Möglichwerden von Mensch-Tier-Kommunikation, das Verschwimmen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und vieles mehr.

Lass es ruhig angehen

Die Rauhnächte sind also eine wahrlich mystische Zeit, geprägt von Kälte und Dunkelheit im Außen, jedoch auch von Wärme und Licht im Inneren, hervorgerufen durch die menschliche Einkehr und Besinnung auf das Wesentliche. Vielleicht möchtest auch du dir dieses Jahr, in den Tagen um Weihnachten und Neujahr, einmal Zeit für Innenschau einräumen, die Tage sehr bewusst gestalten und dich nicht von Erledigungen und Arbeit hetzen lassen. Du könntest dich, ganz in der Tradition der mitteleuropäischen Völker, im Kreise der Familie und Freunde zusammenfinden, um gemeinsam das Vergangene wie auch das Bevorstehende zu reflektieren, Dankbarkeit für das Schöne praktizieren und das Belastende loslassen, um wiedererstarkt und voller Energie ins neue Jahr zu starten. Solche Rituale stellen eine Verbindung zwischen den Menschen untereinander her, aber auch zwischen den Menschen und ihrer Umgebung. Widme dich der Natur und den Elementen, versuche einmal ihre Kraft aktiv und ehrfürchtig wahrzunehmen und wertschätze all die positiven Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur; erkenne dich als Teil von ihr, als Teil des Ganzen.

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